Energie sparen, Geld beiseite legen, Konsumverhalten überprüfen – drei Tipps, mit denen steigenden Lebenshaltungskosten begegnet werden kann. Was können aber Menschen tun, die zur Tafel gehen und die von Grundsicherung leben? „Ich habe Struktur, das hilft mir“, sagt eine Frau, die mit der RHEINPFALZ über ihr Leben am Existenzminimum gesprochen hat.
Von Andreas Sebald
„Wo willst du denn noch sparen?“ Die Frau zögert kurz, überlegt, lässt die Frage kurz im Raum stehen. „Das soll mir mal einer sagen“, schiebt sie dann hinterher.
Dass die Frage rein rhetorisch gemeint war, belegt die 68-Jährige eindrucksvoll mit Zahlen. Vor drei Jahren, da lag der Krieg in der Ukraine noch in weiter Ferne, habe sie sich mit Papier und Kugelschreiber hingesetzt und ihre finanziellen Verhältnisse unter die Lupe genommen. Ganz systematisch. Einnahmen – Rente und Grundsicherung – auf der einen, Ausgaben – „das sind alles Pflichtausgaben, die ich habe“ – auf der anderen Seite. Unterm Strich bleiben ihr pro Monat 29 Euro. Geld, das sie obendrein noch investieren muss in alles, was mit Wasser zu tun hat: Wäsche waschen, Körperpflege, Geschirr spülen.
29 Euro im Monat
Die Frau, die mit der RHEINPFALZ über ihr Leben gesprochen hat, lebt in Kaiserslautern, hat ihr ganzes Leben gearbeitet. Ende der Null
er Jahre erlitt sie allerdings einige Unfälle, die sie zeitweilig in den Rollstuhl brachten und letztendlich dazu führten, dass sie berufsunfähig wurde – mit 55 Jahren.
Die Frau berichtet mit fester Stimme aus ihrem Leben, nennt präzise Daten von wichtigen Lebensereignissen, Zeitspannen von beruflichen Stationen und lässt Ereignisse aus der Vergangenheit wieder aufleben, die 30 Jahre und mehr zurückliegen. „Zahlen, Daten, Fakten – daran halte ich mich fest“, sagt sie. Seit einigen Jahren wird die Frau von „alt – arm – allein“ unterstützt, der Verein stellte auch den Kontakt zur RHEINPFALZ her. „Ohne den Verein wäre ich nicht mehr am Leben“, sagt sie.
So komme sie durch ihre Tage, habe ihren Alltag im Griff, auch wenn sie, das verschweigt sie nicht, auch mit Ängsten zu kämpfen habe, vor allem „mit der Angst, vor dem, was kommt“. So verwundert es nicht, dass sie ein Ereignis Ende Februar zeitweilig aus der Bahn geworfen hat: Russland überfiel sein Nachbarland Ukraine, plötzlich herrschte mitten in Europa
wieder Krieg, die Folgen, im Speziellen wie im Allgemeinen, sind noch nicht abzuschätzen. Der Überfall ließ sie fassungslos zurück. „Ich kann es nicht verstehen, ich habe keine Antworten.“ Dabei sei sie es früher im Beruf gewohnt gewesen, für alles Antworten und Lösungsansätze zu finden.
Ohne Strom geht nichts
Mit Blick auf den Krieg und die Folgen kreisen ihre Gedanken um drei Punkte: Strom, Geld und sozialer Friede. „Ohne Strom läuft nichts mehr in dieser Gesellschaft“, ist sie sich sicher. Und der könne, das wisse niemand, vielleicht sogar von jetzt auf gleich einmal weg sein. Sie selbst brauche Strom für Handy, Fernseher und Kühlschrank sowie für Heizung und um in ihre Wohnung zu kommen. „Ich wohne im vierten Stock, ohne Aufzug wäre ich erledigt.“ Im Winter will sie abwägen, vielleicht auch mal ein Kleidungsstück mehr anziehen und die Heizung runterdrehen.
Geld sei auch ohne Ukraine-Krieg und Energiekrise immer knapp. „Mit Grundsicherung kannst Du nichts sparen.“ Ihre Kleidung bekommt sie aus zweiter Hand („Alles, was ich trage, stammt aus dem Sozialkaufhaus“), im 13. Jahr besucht sie die Tafel, geht dort alle zwei Wochen etwa zum „Geschenketag“, wie sie die Essensausgabe nennt. „Damit überlebe ich seelisch den Tatbestand, dort hinzugehen.“ Sie ist dankbar für die Einrichtung – die ihr Überleben sichere – , sieht aber auch, wie sie sagt, dass durch die Vertriebenen aus der Ukraine die Arbeit nicht weniger werde – und immer mehr Menschen die Essensausgabe in Anspruch nehmen. Womit sie bei ihrem dritten Punkt, dem sozialen Frieden, angelangt ist. Der sei gefährdet, wenn immer mehr Menschen auf Einrichtungen wie die Tafel angewiesen seien, deren Angebot auch nicht mehr werde, um das sich dann die Schwachen der Schwachen noch .
Eine Prise Optimismus hat sie sich erhalten. Bisher habe es für alles immer eine Lösung gegeben, sagt sie und lobt in diesem Zusammenhang auch die Arbeit von „alt – arm – allein“: „Hier gibt es immer Hilfe und Ratschläge“, sagt sie. „Ich fühle mich hier gut aufgehoben.“
Quelle:
DIE RHEINPFALZ, Lokalausgabe Pfälzische Volkszeitung vom 3. August 2022