Hilfe, um über die Runden zu kommen

alt – arm – allein unterstützt Valentina seit einigen Jahren

Von Heidelore Kruse

Valentina *) beherrscht fast von Jugend auf fünf Sprachen. Als Zwillingstochter eines russischen Piloten und einer russlanddeutschen Lehrerin 1941 im Kaukasus geboren und in Kasachstan aufgewachsen, waren Jahrzehnte später in der Bundesrepublik weder ihre sprachlichen noch ihre beruflichen Kenntnisse als Hauptbuchhalterin gefragt.

Wo die Frührente, die ihr stattdessen in Deutschland angeboten wurde, und die Sozialhilfe ihres schwer erkrankten Ehemanns nicht ausreichen, steht ihnen seit 15 Jahren „alt – arm – allein“ zur Seite.

Valentina schildert, wie Josef Stalin zwei Monate nach ihrer Geburt alle Deutschen nach Kasachstan ausgesiedelt hatte. Ihre Mutter sei dafür mit ihr und ihrem Bruder monatelang unterwegs gewesen. Weil sie irgendwann keine Milch mehr gehabt habe, sei der Bruder gestorben; für sie selbst sei eine Bekannte eingesprungen. Dann habe Stalin die Mutter ins Arbeitslager geschickt und sie hätten alles abgeben müssen, was sie hatten – sonst hätte man sie erschossen. „Wir waren in Kasachstan nicht gleichberechtigt“, erinnert sie sich.

Valentina beherrscht die russische Sprache, dazu Kasachisch, Tschechisch, Usbekisch und Deutsch – alles Sprachen, für die sie als Übersetzerin gefragt war, als sie am 22. Dezember 1999 mit ihrem Ehemann und der ältesten Tochter in einem bundesdeutschen Auffanglager angekommen war.

Ihre jüngste Tochter war schon sieben Jahre vorher in den Westen gezogen und in Kaiserslautern sesshaft geworden. Um wieder ein bisschen als Familie zusammen sein zu können, habe sie immer gewollt, dass die Eltern und die Schwester zu ihr kommen.

Von ihren beiden Wohnungen in Kasachstan hätten sie eine verkauft, um mit dem Erlös die Operation des schwer erkrankten Ehemanns zu finanzieren, schildert die Senioren. Alles andere habe man stehen und liegen gelassen. Mit Tränen in den Augen, und der Erkenntnis, jetzt ganz arm zu sein, seien sie weggegangen. Heute hat sie mit ihrem Mann eine Wohnung im Haus der Tochter. Sie habe immer arbeiten wollen, betont Valentina bei unserem Gespräch in der Geschäftsstelle der Altenhilfe. Vom Arbeitsamt habe sie aber immer wieder nur Absagen bekommen. Mit ihrer Rente von heute monatlich 975 Euro und der Sozialhilfe ihres Mannes von 536 Euro komme sie über die Runden.

Dankbar erinnert sie sich noch heute an den „netten Mann im Sozialamt“, der sie vor 15 Jahren gefragt hatte, ob sie noch irgendetwas brauche und der sie dann zu „alt – arm –allein“ geschickt hatte.

Elisabeth Dressing, die die Geschäftsstelle seinerzeit leitete, hatte sie damals mit einer Waschmaschine, Mobiliar, Haushaltswaren und auch einer Busfahrkarte versorgt, was so heute nicht mehr möglich sei, wie Nachfolgerin Sabine Paulus ergänzt. Sachspenden wie Kaffeemaschinen oder Waschmaschinen würden oft als Dauerleihgaben weitergegeben. Valentina ist dankbar, dass es „alt – arm – allein“ gibt. Die Unterstützung des Vereins hilft ihr, mit Alltagsausgaben wie Miete, Strom und Nebenkosten über die Runden zu kommen. Über die materielle Hilfe hinaus würdigt sie die Zeit, die man sich in der Geschäftsstelle immer wieder für ein Gespräch mit ihr nimmt.

Für etwas Abwechslung in ihrem Alltag, die die Stadt Kaiserslautern ihr bieten könnte, nimmt Valentina sich schon im Hinblick auf das Pflegebedürfnis ihres Ehemanns keine Zeit. Auch sei ihr Stadtteil nicht so gut an die Innenstadt angebunden.

Was in der Welt und vor allem in Russland vor sich geht, will Valentina als politisch Interessierte aber auf keinen Fall verpassen. Sie hält sich über das Fernsehen auf dem Laufenden. Dazu liest sie sehr gerne in den historischen Romanen, von denen sie seinerzeit mehr als 100 Bände mit nach Deutschland gebracht hatte.

*) Name geändert

Quelle:
DIE RHEINPFALZ, Lokalausgabe Pfälzische Volkszeitung vom 29.12.2022

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