“Geben Sie das Doppelte, was Sie geben wollten”

Ein Paukenschlag – im wahrsten Sinne des Wortes – gab am Sonntagabend das Startsignal für die 28. Auflage der Spendenaktion zugunsten der Altenhilfe „alt – arm – allein“. Das lag an den musikalischen Gästen vom Symphonischen Blasorchester des Landkreises. Eine Festrede gab es – eigentlich – nicht. Kirchenrat Wolfgang Schumacher forderte dennoch eine Zeitenwende in der Sozialpolitik, der Erfinder der Altenhilfe, Hans-Joachim Redzimski, warf zwei Schlaglichter auf die Arbeit des Verein.

 

Von Andreas Sebald

Ein festlicher Moment, ein freudiger Anlass, ein würdiger Rahmen. Die Elemente für eine Festrede waren am frühen Sonntagabend alle gegeben, wurden von Wolfgang Schumacher auch allesamt benannt. Aber eigentlich wolle er keine solche Ansprache halten, sagte der aus Kaiserslautern stammende Kirchenrat. Zudem habe er sich die Namen der Redner aus den vergangenen Jahren angeschaut und sich gefragt, was er so viel Wortgewalt eigentlich entgegensetzen könne. Schumacher ist Beauftragter der drei Evangelischen Landeskirchen in Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz und vertritt auf Landesebene die Interessen und Anliegen der Kirchen gegenüber den Verfassungsorganen, den Parteien und gesellschaftlichen Gruppen.

Er habe sich stattdessen für eine „ungehaltene Festrede“ entschieden. In dieser wies der 64-Jährige auf die harte Realität in Deutschland hin, ein Land, in dem es jede Menge Armut gebe. Die Kinderarmut gehe zwar leicht zurück, dafür steige die Altersarmut unvermittelt weiter an. Rund 14 Millionen Menschen lebten in der Bundesrepublik in Armut, die dreieinhalbfache Anzahl der Einwohner von ganz Rheinland-Pfalz. Die Armut spiegle sich nicht in einem „Mangel an Gütern, sondern in einem Mangel an Gerechtigkeit“. Zehn Prozent der Bevölkerung verfügten demnach über mehr als die Hälfte des Vermögens, habe das Statistische Bundesamt ausgerechnet, sagte Schumacher. Er forderte eine „Zeitenwende in der Sozialpolitik“, in der Bürgergeld und Kindergrundsicherung nicht „diskreditiert“ werden sollten. Zudem sprach er sich dafür aus, besser eine „Armutsbremse im Grundgesetz“ festschreiben zu lassen denn eine Schuldenbremse. „Eigentlich müssen wir uns ein Armutszeugnis ausstellen“, schloss Schumacher seine Ausführungen zur Armut im Land. „Gut, dass es eine ungehaltene Rede ist“, fügte der Redner an und schlug – Schumacher ist Pfarrer – einen Bogen zur Bibel.

Eine „ungehaltenen Festrede“

Dort spiele die Armut auch eine Rolle, tauche immer wieder auf, etwa in der Geschichte von Lazarus, einem armen Mann, und dessen reichem Nachbarn. Die Geschichte lehre, auf den Menschen vor der eigenen Tür zu achten. „Der Arme ist kein Niemand, er hat einen Namen, er ist keine Zahl in einer Statistik“, sagte Schumacher. „alt – arm – allein“ arbeite ähnlich, gebe den Daten zur Armut ein Gesicht, nenne Menschen beim Namen, helfe ihnen, leiste einen Beitrag gegen Diskriminierung. Und: Die Aktion und ihr Ziel habe über die Jahre viele Menschen ergriffen und zu Spendern gemacht.

Eigentlich dürfte es eine Aktion wie „alt – arm – allein“ nicht geben. Nun starte allerdings die 28. Spendenaktion in der Adventszeit, die belege, dass „die Aktion notwendig ist, weil sie Not abwenden kann“. Die Aktion könne den Staat nicht entlasten, aber könne Hinweise geben und dabei helfen, Lücken zu schließen. „ ,alt – arm – allein’ sieht, dass geholfen werden muss und packt mit an“, unterstrich Schumacher. „ ,alt – arm – allein’ ist eine Mahnung an uns, dass wir vom Ideal einer sozialen und gerechten Gesellschaft noch weit entfernt sind.“

Isolation versus Teilhabe

Der Erfinder der Altenhilfe, der langjährige Leiter der RHEINPFALZ-Lokalredaktion Kaiserslautern, Hans-Joachim Redzimski, illustrierte in seinem Schlusswort die Arbeit von „alt – arm – allein“ mit zwei Beispielen. Der alljährliche Ausflug in die idyllisch im Wallhalbtal gelegene Gaststätte Kneispermühle helfe dabei „Menschen aus der wirtschaftlich begründeten Isolation zu holen und Teilhabe an und in der Gesellschaft zu ermöglichen“, sagte Redzimski: „Es ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“

Unlängst habe ihm die Nachbarschaftshilfe Blaubach (Kreis Kusel) ein Kuvert mit 150 Euro übergeben, bestimmt als Spende für die nun gerade angelaufene Weihnachtsspendenaktion. Der fünfköpfige Helferkreis in dem Ort bei Kusel hilft bei Botengängen und kleineren Arbeiten rund ums Haus, engagiert sich für ältere Menschen. Kleinere finanzielle Aufmerksamkeiten dafür wanderten in einen Topf, aus dem die Nachbarschaftshilfe Weihnachtsgeschenke für Kinder für eine Nikolausfeier bezahlt. Nun sei auch die Altenhilfe mit einer Spende bedacht worden. „Es ist auch ein Ausdruck der Strahlkraft unserer Tätigkeit“ – „alt – arm – allein“ habe sich auch über die Region hinaus einen Namen gemacht.

Zuvor hatte er Schumacher für dessen „gehaltvolle, aufrüttelnde und nachdenklich stimmende Rede“ gedankt. Die Sorge Schumachers, als Redner bei der Eröffnungsveranstaltung von „alt – arm – allein“ nicht in die Liste der Redner der vergangenen Jahre zu passen, zerstreute Redzimski. „Sie haben ihren Platz gefunden in dieser Rednerliste.“

Lob für die Ehrenamtlichen

„Altersarmut ist eine bedrückende Realität auch in dieser Stadt“, sagte Lauterns Oberbürgermeisterin Beate Kimmel (SPD). Die Altenhilfe „alt – arm – allein“ sei „ein fester Bestandteil unseres sozialen Gefüges“, getragen von „engagierten Menschen“. Kimmel lobte die Arbeit der rund 100 Ehrenamtlichen des Vereins, deren Hingabe an die Sache. So werde nicht nur materielle Hilfe geleistet, sondern auch einer gewissen Fürsorge nachgekommen.

Der Kreisbeigeordnete Peter Schmidt (FWG) skizzierte die Arbeit des Vereins auch im Landkreis, wo „alt – arm – allein“ unter anderem dazu beitrage, dass Menschen länger in ihrem gewohnten Umfeld leben können. Als ein Beispiel für „Kleinigkeiten, die von Herzen kommen“, nannte er die Unterstützung der Altenhilfe für Geschenke für die Bewohner des Alten- und Pflegeheims Schernau bei Martinshöhe.

„Es ist wieder Leben eingezogen in die Marienkirche.“ Die Feierstunde eröffnet hatte der Pfarrer der St.-Marien-Gemeinde, Martin Olf. Zunächst blickte er auf die Renovierung des Innenraums der Kirche, die im September abgeschlossen worden war. Der letzte, große Gottesdienst vor Beginn der Renovierung stand in direktem Zusammenhang mit der Altenhilfe: Es war das Requiem für Norbert Thines im Juni 2021. Thines war lange Jahre Vorsitzender von „alt – arm – allein“, zuletzt Ehrenvorsitzender der Altenhilfe. Er war in der Marienkirche auch getauft worden, sagte Olf. Der Pfarrer erinnerte an die Anfangstage von „alt – arm – allein“, von Beginn an arbeiteten die Gemeinden der Apostelkirche und Marienkirche sowie die Tageszeitung RHEINPFALZ zusammen: „ein gemeinsames Werk“. Das gemeinsame Engagement, die Hilfe für alte, arme und einsame Menschen, sei „nötiger und wichtiger“ in diesen Tagen. „Es ist ein Irrtum, dass der Staat alles regeln kann“, unterstrich Olf.

Mit dem Vorurteil, dass in der Zeitung nur schlechte Nachrichten stehen, räumte der Leiter der RHEINPFALZ-Lokalredaktion Kaiserslautern,Christian Clemens auf. Zu den am besten gelesenen Texten in den vergangenen Tagen gehörten – in Stadt und Landkreis Kaiserslautern – der Ausblick auf den Weihnachtsmarkt – „ein bisschen Adventsstimmung also“, sagte Clemens –, die Berichterstattung über den baulichen Zustand des Fritz-Walter-Stadions und die Kolumne „Betze-Geflüster“ über den ehemaligen Trainer des FCK, Kalli Feldkamp. „Es sind also durchaus auch die guten Nachrichten, die schönen Geschichten, denen es gelingt, die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser zu gewinnen.“ Mit Blick auf „alt – arm – allein“ gebe es einige gute Nachrichten: Im vergangenen Jahr kamen bei der Aktion „sensationelle 396.027 Euro“ zusammen, mehr als 6,6 Millionen Euro über die Jahre insgesamt. Zwischen 300.000 und 350.000 Euro fließen jährlich bedürftigen Menschen zu, über 800 Menschen aus Stadt und Kreis profitierten davon, sagte Clemens.

Beeindruckende Liedbeiträge

Den musikalischen Rahmen der Veranstaltung spannte das Symphonische Blasorchester des Landkreises Kaiserslautern unter Leitung von Jochen Lorenz. Deren Beiträge, etwa „Greensleeves“ und als Abschluss „Der Mond ist aufgegangen“, kamen auch aufgrund der tollen Akustik im Kirchenschiff sehr gut zur Geltung und beeindruckten nachhal(l)tig. Die Töne blieben genauso gut im Ohr wie Wolfgang Schumachers Appell am Ende seiner Rede an seine Zuhörerschaft gerichtet hatte. „Spenden Sie! Geben Sie das Doppelte, was Sie geben wollten, dann ist das die Hälfte, von dem, was Sie geben sollten.“

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Ausgabe Pfälzische Volkszeitung vom Montag, 25. November 2024
Fotos:   view – Die Agentur

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