„Mein Traum? Ein Paar warme Schuhe!“

Der 77-jährige Erich K. hat sein ganzes Leben lang hart körperlich gearbeitet

Von Gundula Zilm, RHEINPFALZ-Redaktion Kaiserslautern

Er hat sein Leben lang hart körperlich gearbeitet. 14 Stunden war der heute 77-jährige Erich K. oft auf den Beinen; an seinem Körper ist dies nicht spurlos vorbeigegangen. Dass seine Rente trotzdem nicht zum Leben reicht, hat ihn keinesfalls verbittert. Er ist mit wenig zufrieden und immer positiv.

Im Chor damals war er „der Brummbär“, mit seiner Stimme als zweiter Bass. Im Gemüt ist er jedoch genau das Gegenteil: Erich K. ist stets froh gelaunt, erzählt munter drauf los mit jedem oder jeder, und erfreut sich auch an kleinen Dingen. Wie einem Tütchen Spritzgebackenem vom Verein alt-arm-allein. „Ich bin ein Schnäker …“, gesteht er lachend. Ein Paar selbst gestrickte Strümpfe, eine Mütze und einen Schal treibt Sabine Paulus in der Geschäftsstelle noch unter den Spenden für ihn auf. „Ich bringe dann mal ein paar Orangen“, will er sich sofort revanchieren. Denn die Leute des Altenhilfevereins „sind alle so nett“, schickt er hinterher.

In Hochspeyer geboren, hat Erich K. fast sein ganzes Leben dort verbracht. Erst vor vier Jahren, nachdem sein Vermieter ihm gekündigt hatte, zog er in die Stadt – nach Hohenecken, „mit Blick auf die Burg“. In dem Haus, in dem seine Nichte mit ihrem Mann wohnt, wurde gerade eine Wohnung frei, so dass er nicht selbst suchen musste.

Nach acht Jahren Schule begann er im Eisenwerk zu arbeiten, „doch die Luft war so schlecht, dazu die harte Arbeit – das habe ich nicht durchgehalten“. Also wechselte er die Stelle und verdiente anschließend sein Geld als Gipser, „ungefähr fünf Jahre lang“. Dann fand er den Job, den er fast bis zur Rente ausübte: Im Wald, an der frischen Luft, hat er Holz gerückt: mit dem Pferdegespann. „Man darf keine Angst vor Pferden haben und muss mit ihnen umzugehen wissen.“ Es „kam auch mal vor, dass eines der Pferde ausgebüxt ist, und dann musten wir es wieder einfangen“, schildert er lebhaft die Szene.

Vollends zu leuchten beginnen seine Augen, als er sich daran erinnert, wie ihm der Opernsänger Rudolf Schock über den Weg gelaufen ist. „Ich war gerade mit den Pferden unterwegs, und als er die erblickte, kam er sofort zu uns. Er liebt Pferde, hat sie gestreichelt und wir haben fünf, vielleicht zehn Minuten miteinander geplaudert“, schwärmt er von dem Star, „den damals jeder kannte!“

Erich selbst singt auch heute noch gern, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, „doch die Stimme will nicht mehr so wie früher“, räuspert er sich nach einer Liedzeile. In jungen Jahren hat er rund sechs, sieben Jahre lang im Volkschor Hochspeyer gesungen, als zweiter Bass. „Mit 60 Leuten auf der Bühne zu stehen, und dann den Applaus aufbranden zu hören: ein tolles Gefühl!“, durchfährt es ihn noch heute sichtbar.

Geheiratet hat Erich K. nie. „Die passende Frau ist mir nicht begegnet“, winkt er ab. Zudem komme er bestens allein zurecht. Und viel Zeit hatte er ohnehin nicht: „Mein Arbeitstag ging von halb sechs bis halb acht.“ Als Rente bekommt er gerade mal 870 Euro. Zu wenig für den Lebensunterhalt, so dass sie mit knapp 300 Euro Grundsicherung aufgestockt wird. Vor seinem Ruhestand war er noch im Straßenbau tätig; heute hat er einen Schwerbehindertenausweis, die Arbeit hat ihn gezeichnet.

Doch hadern tut er damit nicht. Mit dem Stock ist er noch so mobil, dass er es gut bis zur Bushaltestelle schafft, „leider sind die Verbindungen abends schlecht, und ein Taxi ist zu teuer“. Doch der Ausweis erlaubt ihm Bus- und Bahnfahrten, freut er sich.

Auf das Stichwort FCK springt er sofort an: „Klar, bin ich FCK-Fan! Schon als Kind. Früher war ich ständig auf dem Betze.“ In Hochspeyer war er auch öfter abends noch in der Wirtschaft, doch jetzt „bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe“. Die Nichte lädt ihn ab und zu zum Essen ein, ist er dankbar. Große Ansprüche hat er wahrlich nicht, beweist seine Antwort auf die Frage, was ihm eine Freude bereite: „Ich freue mich, wenn ich morgens aufwache.“ Und darin schwingt keinerlei Resignation mit, sie zeugt vielmehr von Zufriedenheit.

Die Veranstaltungen mit alt-arm-allein genießt er immer, zum Beispiel die Ausflüge zur Kneispermühle, bestätigt er. Bei der Weihnachtsfeier in Hohenecken kürzlich hingegen „waren nur fremde Leute“, bedauert er – obwohl er alles andere als kontaktscheu ist und sich „mit jedem gut versteht“, wie er selbst sagt. Und er weiß, die Menschen mit seiner offenen Art einzunehmen. Gerade kommt er vom Bekleidungsladen Kik, beweisen die neuen warmen Unterhosen in seiner Tasche. „Natascha an der Kasse hat sich von einer Kollegin verabschiedet und sie umarmt – da habe ich gefragt: ,Und ich?’“, lacht er. Diese Aufforderung konnte sie nicht im Raum stehen lassen, zeigt sein zufriedenes Schmunzeln.

Hat denn jemand, der stets so hart gearbeitet hat, einen Traum? „Ein Paar warme Schuhe.“ Sagt er und freut sich darauf, dass der Altenhilfeverein ihm diesen Wunsch erfüllt.

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Ausgabe Pfälzische Volkszeitung vom Samstag, 04. Januar 2025

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