„Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt“

Hilfe annehmen war für die in den 1950er Jahren in Pirmasens geborene Frau nicht einfach

Von Andreas Sebald, RHEINPFALZ-Redaktion Kaiserslautern

Hilfe annehmen. Sich eingestehen, dass es ohne Hilfe von außen nicht geht. „Das ist ein Riesenschritt.“ Die ältere Dame spricht die Worte gelassen aus. Wie groß der Schritt für sie war, lässt sich nur erahnen.

Im Frühjahr 2024 ging wenig bis gar nichts mehr bei der in Pirmasens geborenen Frau. Da war die End-Sechzigerin in den eigenen Wänden gestürzt, kam ohne fremde Hilfe nicht mehr auf die Beine. Das Telefon war in unerreichbarer Entfernung, aber ihr Laptop glücklicherweise nicht. Mit einer E-Mail an eine Freundin machte sie sich bemerkbar, Hilfe kam aber erst nach Stunden.

Nach dem Sturz wurden erste Kontakte zu „alt – arm – allein“ geknüpft, Geschäftsführerin Sabine Paulus besuchte die Frau, hatte auch ihren Anteil daran, dass die Frau Anfang April ins Krankenhaus gebracht wurde, weil ihre Beine aufgegangen waren, eine große Menge an Lymphflüssigkeit weglief. „Das Wasser war überall, ich hatte kaum mehr Handtücher und Bettwäsche“, berichtet die Frau. Zu allem Überfluss war auch ihre Waschmaschine kaputt gegangen, das „von Hand rauswaschen“ war viel zu aufwändig geworden. Sabine Paulus half. Nicht nur, dass sie kurzerhand die Wäsche mit nach Hause nahm und in die Waschmaschine stopfte, sie leitete auch in die Wege, dass die Frau schlussendlich ins Krankenhaus eingeliefert und dort auch erfolgreich behandelt wurde.

Aber auch diese Hilfe anzunehmen, kostete sie einiges an Kraft. „Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt“, erzählt die Frau. Krankenhäuser seien bei ihr in schlechter Erinnerung, sie spricht von „schlechtem Karma“: „Viele, die ich kannte, kamen rein ins Krankenhaus, aber nicht mehr raus.“ Allerdings blieb der Frau im April kaum eine andere Wahl als der Gang ins Westpfalz-Klinikum. Und ihr wurde dort geholfen. „Innerhalb von drei Tagen hatten die dort meine Beine im Griff, ich kann das komplette Team nur loben.“

In der Zwischenzeit war auch Sabine Paulus tätig geworden, hatte eine Waschmaschine organisiert, die der Frau als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wird. Außerdem schaute sich eine Computerexpertin aus den Reihen der Ehrenamtlichen bei der Altenhilfe Laptop und Drucker der Frau an, half ihr in IT-Fragen wieder auf die Beine. „Ich bin dankbar, dass es so was gibt“, sagt die Frau, die zwar von Grundsicherung lebt, ihre finanzielle Situation aber nicht dramatisieren will. Ich dachte: ,alt – arm – allein’. Allein bin ich, ja. Aber doch nicht alt und auch nicht arm.“ Seit Mitte der 1990er Jahre lebt die Frau in Kaiserslautern, hat in ihrem Berufsleben einiges erlebt. Zwei Ausbildungen hat sie absolviert, in jungen Jahren lernte sie Steuerfachgehilfin, mit Mitte 50 absolvierte sie noch eine Lehre zur Hauswirtschafterin. Allerdings hat sie nicht nur Erfolge im Berufsleben zu verzeichnen, auch Arbeitslosigkeit ist ihr nicht unbekannt, eine kurze Zeit der Selbstständigkeit im Einzelhandel endete in der Pleite ihres Geschäfts. Für die Grundrente fehlten ihr einige Zeiten, berichtet die Frau, sie komme aber über die Runden. „Ich kann mir mein Geld einteilen.“ Im Alltag wird sie von einer Haushaltshilfe unterstützt, die der Pflegedienst organisiert. Die zweieinhalb Stunden in der Woche seien eine Erleichterung.

Hilfe annehmen. Diesen Schritt hat die Endsechzigerin gemacht. Und diesen auch nicht bereut. „Es war so unkompliziert“, sagt sie mit Blick auf „alt – arm – allein“. Nun wünscht sie sich noch jemanden, der ihr Besorgungen machen könnte, vielleicht mal ein Rezept zur Apotheke bringt, oder andere, scheinbar einfache Dinge verrichten kann. Denn alles, was sich außerhalb der eigenen vier Wände abspielt, und sei es nur das unten am Treppenabsatz abgestellte Paket des Lieferdienstes, fällt der Frau, die äußerst schlecht zu Fuß ist, denkbar schwer. Sabine Paulus zückt den Kugelschreiber, macht eine Notiz. „Der Besuchskreis wäre doch was für sie.“ Die Dame strahlt.

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Ausgabe Pfälzische Volkszeitung vom Samstag, 04. Januar 2025

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