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- Erstellungsdatum 24. September 2025
- Zuletzt aktualisiert 24. September 2025
WIR September - November 2025 / Ausgabe 102
Wörter verschwinden. Und mit ihnen der Inhalt. Ein lieber Freund machte mich auf das Wort „Nachsicht“ aufmerksam. Wann habe ich es zuletzt gebraucht? Wann war ich nachsichtig? Mit anderen? Mit mir?
Der polnische Philosoph Tomasz Stawiszynski meint, dass sich Nachsicht der Berechenbarkeit, dem Algorithmus-Denken entziehe. Wer nachsichtig ist, unterbreche das Kalkül, begebe sich auf ein subjektives Feld.
Es lohnt sich vermutlich, diesen Begriff zurückzugewinnen. Er berücksichtigt, dass der Mensch ein fehlbares Wesen ist, Fehler begeht, die er gar nicht machen möchte und doch den Willen zur Wiedergutmachung besitzt. Nachsicht eröffnet dem Menschen einen Raum für Umkehr. Nachsicht scheint aber auch eine schwierige Tugend zu sein, weil sie einen Balanceakt erfordert. Wie weit dürfen wir mit unserer Nachsicht gehen? Ich kann einer unbedachten Äußerung gegenüber nachsichtig sein, nicht aber gegenüber einem rücksichtslosen Raser.
Seien wir nachsichtig, aber nicht naiv.
Herzlichst Ihre Margit Schupp
